Direktinvestments: Haftungsrisiken oft nicht ausreichend erklärt

 

Marktwächter-Experten bemängeln Aufklärung über Verpflichtungen, die für Verbraucher mit dieser Anlageform einhergehen

 

 

Schiffscontainer, Baumplantagen oder Solaranlagen - bei Direktinvestments erwerben Anleger Eigentum am jeweiligen Anlageobjekt und vermieten oder verpachten es gleich wieder an den Anbieter zurück. In ihren Informationsunterlagen weisen einige Anbieter jedoch nicht ausreichend auf die Risiken und Verpflichtungen hin, die Anleger gerade mit diesem Eigentümer-Status eingehen. Dies zeigen Beobachtungen der Marktwächter-Experten der Verbraucherzentrale Hessen.

 

"In den vorliegenden Fällen betonen Anbieter von Direktinvestments, wie sicher und solide solche Anlagen seien, und spielen die Risiken herunter", sagt Wolf Brandes, Teamleiter Grauer Kapitalmarkt beim Marktwächter Finanzen der Verbraucherzentrale Hessen. "Risiken ergeben sich aber oft gerade aus dem Status des Anlegers als Eigentümer oder Miteigentümer. Diese Informationen sind für Anleger extrem wichtig."

 

Aber auch in den gesetzlich vorgeschriebenen Vermögensanlagen-Informationsblättern und Verkaufsprospekten, die die Anbieter zur Verfügung stellen müssen, erläutern manche Anbieter mögliche Verlustszenarien oder weitergehende Verpflichtungen nur unzureichend oder leugnen sie ganz.

 

Eigentümer tragen weitreichende Risiken

 

Ob Direktinvestments in Container oder Wald - nach Beobachtung des Marktwächterteams können für Anleger finanzielle Verpflichtungen verschiedenster Art entstehen:

 

- Wird bei einem Holzinvestment der Anleger Eigentümer eines Grundstücks, kann er durch Zerstörung der Holzernte einen Totalverlust erleiden. Als Grundstückseigentümer muss er dennoch für Abgaben und Steuern und möglicherweise auch für die Grundstückspflege aufkommen.

 

- Kommt zum Beispiel bei einem Container der vertraglich vorgesehene Rückkauf nicht zustande, etwa weil das Unternehmen insolvent ist, muss sich der Anleger selbst um den Verkauf bemühen. Braucht er dafür einen Makler oder Vermittler, entstehen zusätzliche Kosten.

 

- Fällt das Unternehmen aus, so haftet der Anleger für Wartung und Pflege des Anlageobjekts. Bei einer Baumplantage können beispielsweise weitere Kosten durch den Einsatz von Personal entstehen, das die Bewirtschaftung des Grundstücks übernimmt. Bei

Containern können Hafengebühren anfallen.

 

- Konsequenz aus der Haftung: Als (Mit-)Eigentümer müssen Anleger möglicherweise über das investierte Kapital hinaus Zahlungen leisten. In Verkaufsprospekten und Vermögensanlagen-Blättern stellen Anbieter diese Risiken nicht immer umfassend dar. So fehlte in einem Prospekt zu einem Bauminvestment in Südamerika der Hinweis, dass Anleger nach Laufzeitende den Verkauf ihrer Grundstücke selbst organisieren und bis dahin möglicherweise für Steuern und die Grundstückspflege aufkommen müssen.

 

Die Marktwächter-Experten fanden auch die Formulierung "Es gibt keine weiteren Umstände, unter denen der Anleger verpflichtet ist, weitere Leistungen zu erbringen. Insbesondere gibt es keine Umstände, unter denen der Anleger haftet". "Diese Aussage ist nicht richtig, da ein Anleger in seiner Eigenschaft als Eigentümer sehr wohl haften kann", kritisiert Brandes. "Anbieter sind gesetzlich verpflichtet, in ihren Informationsunterlagen über mögliche weitergehende Verpflichtungen und Haftungsrisiken aufzuklären".

 

Riskante Anlagen: Darum investieren Menschen in Graumarktprodukte

 

Im Rahmen einer nicht-repräsentativen qualitativen Untersuchung haben die Marktwächter-Experten der Verbraucherzentrale Hessen Entscheidungsgründe von Verbrauchern für Geldanlegen im Grauen Kapitalmarkt näher untersucht. Die Ergebnisse zeigen beispielsweise, dass gravierende Veränderungen der Lebensumstände der Anlageentscheidung vorausgegangen sind und ein vertrauensvolles Verhältnis zum Finanzvermittler eine wichtige Rolle gespielt hat.

 

Für die Untersuchung führten die Verbraucherschützer ausführliche Interviews mit 16 betroffenen Verbrauchern, die eine Beratung bei der Verbraucherzentrale wahrgenommen haben. Ziel war es herauszufinden, welche Motive, Umstände und Hintergründe bei den Entscheidungen für ein Produkt des Grauen Kapitalmarkts eine Rolle gespielt haben.

 

„Bislang gab es im Hinblick darauf meist nur Vermutungen. Die vorliegende Untersuchung gibt Hinweise dafür, dass bei Geldanlagen am Grauen Kapitalmarkt die Beziehung zwischen Anleger und dem Vermittler besonders wichtig zu sein scheint“, sagt Wolf Brandes, Teamleiter beim Marktwächter-Schwerpunkt Grauer Kapitalmarkt in der Verbraucherzentrale Hessen.

 

Vorsorge als Motiv, Vertrauen als Basis

 

In den Interviews konnten verschiedene Muster zur Anlageentscheidung erkannt werden:

 

•Lebensumstände: Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Lebensumstände der befragten Verbraucher unmittelbar vor der Investition gravierend geändert haben: die erste Festanstellung, eine Erbschaft, eine Scheidung oder der Tod des Ehepartners oder schwere Krankheiten. In solchen Phasen sind offensichtlich Bereitschaft oder Bedarf groß, neue Verträge abzuschließen, um den neuen Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.

 

•Beziehung zum Vermittler: Die Beratungspraxis der Verbraucherzentralen zeigt ebenso wie eine Vorgängerstudie der Marktwächter, dass bei Investitionen am Grauen Kapitalmarkt die Beziehung zwischen Verbraucher und dem Anlagenvermittler von besonderer Bedeutung ist. Die aktuelle Untersuchung gibt hierfür weitere Indizien. In den Interviews antworteten Verbraucher auf die Fragen nach dem Vermittler zum Beispiel: „Jemand, den meine Eltern kannten und gute Erfahrungen gemacht hatten. Da bin ich mit einem guten Gefühl reingegangen“, oder „Ich habe dem vertraut, dem Typ, und bin betrogen worden, um es auf den Punkt zu bringen.“

 

•Anlagemotiv Altersvorsorge: Altersvorsorge oder finanzielle Vorsorge allgemein stand bei einer Gruppe der befragten Verbraucher als Anlageziel im Vordergrund. Sie wollten finanzielle Sicherheiten für sich und ihre Angehörigen schaffen. „Es ging mir darum, dass ich etwas mache, damit ich im Alter nicht in die Altersarmut rutsche.“ „Ein Tageskonto erschien mir nicht ausreichend, um meine Angst vor der Altersarmut zu dämpfen“, lautete die Aussage eines anderen Befragten.

 

•Entscheidungsregeln: Bei komplexen Finanzentscheidungen helfen sich Verbraucher oft mit allgemeinen Faustregeln: Man überträgt Wissen und Erfahrungswerte aus anderen Bereichen auf die aktuelle Entscheidung. In den untersuchten Fällen wandten Verbraucher einige dieser Regeln jedoch nicht richtig an – so zum Beispiel die gängige Einschätzung, dass Immobilien eine vergleichsweise sichere Anlage sind. Mit den Worten eines Verbrauchers: „Da weiß man, was man hat. Und in Krisenzeiten bleibt das bestehen. Da kriegt man vielleicht mal nicht so viel Miete, aber gut, das ist eben etwas, was Hand und Fuß hat.“ Im konkreten Fall handelte es sich aber nicht um eine Investition in eine Immobilie im klassischen Sinne, sondern um einen geschlossenen Immobilienfonds, der für den Anleger ein hohes Risiko bis hin zum Totalverlust birgt. Dies war dem Verbraucher bei Abschluss nicht klar.

 

„Mit den Ergebnissen der Untersuchung wollen wir Ansatzpunkte für weitere Forschungen und eine darauf aufbauende zielgenaue Aufklärung sowie eine verbesserte Regulierung im Grauen Kapitalmarkt liefern. Denn es geht um viel Geld – Geld, das den Verbrauchern später bei der Rente fehlen könnte“, resümiert Brandes.

 

Zur Methode: Für die vorliegende Studie wurden 16 leitfadengestützte Tiefeninterviews mit einer durchschnittlichen Befragungsdauer von ca. 90 Minuten durchgeführt. Alle befragten Verbraucher hatten die die Schadensfallberatung der Verbraucherzentrale Hessen aufgesucht. Die qualitativen Interviews wurden inhaltsanalytisch ausgewertet. Erhebungszeitraum: Juli bis Dezember 2017.

 

Geldanlage in Container: Auf was Anleger achten sollten?

In Zeiten der Niedrigzinsphase fragen sich viele Verbraucher, wo kann ich denn mein Geld noch anlegen, damit ich wenigstens etwas mehr Rendite erhalte?

Das ist erfahrungsgemäß immer auch mit entsprechenden Risiken verbunden, die im schlechtesten Fall womöglich sogar bis zum Totalverlust des Anlagebetrages führen können. Deshalb sollte man als Anleger genau hinsehen, bevor man einen Vertrag abschließt.

Von Börsenkursen und Geldpolitik losgelöst, können Direkt-Investments, wie z.B. in Container oder Wechselkoffer, als Sachwertanlage von Privatanleger gezeichnet werden. Wie funktioniert eine solche Anlage, in was investieren Anleger genau, mit welchen Beträgen und wie ist das Chancen-Risikoverhältnis? Mehr dazu im Video.    

Druckversion | Sitemap
© Verbraucherfinanzen-Deutschland.de